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Aktualisiert am 28. Januar 2025
28. Januar 2025
5 Min. Lesezeit
Thomas Hobbs
Vor zehn Jahren galten Kassetten noch als Relikt aus grauer Vorzeit. Heute veröffentlicht selbst Taylor Swift ihre neuen Alben auf dem Format. Lies hier, warum Tapes wieder im Kommen sind.
Musik von Kassette zu hören, das klingt ziemlich altmodisch. Doch gerade in den letzten Jahren hat die Kassette gezeigt, dass sie mehr ist als ein verstaubtes Relikt aus den 1990er Jahren.
2023 beliefen sich die Kassettenverkäufe in Großbritannien laut Daten der Official Charts Company auf 136.000 Stück. Am meisten verkaufte die Gen-Z-Popprinzessin Olivia Rodrigo mit ihrem Album „GUTS“ (8.500 Exemplare). Die Wiederbelebung dieses Formats mit Teenie-Fans als Zielgruppe kann für große Plattenfirmen also durchaus von Erfolg gekrönt sein.
Noch größer ist der US-Markt: Im letzten Jahr wurden 430.000 Kassetten verkauft – fünfmal mehr als noch 2013. Seit 2020 haben große Popstars wie Taylor Swift (deren Album „1989“ 2023 mit 17.500 Exemplaren die meistverkaufte Kassette in den USA war), Charli XCX und Harry Styles das Format klugerweise wieder aufgegriffen, sodass Kassetten erneut im Pop-Mainstream Einzug hielten.
Auch Independent-Künstler:innen ist es gelungen, mit Tapes Geld zu machen. Zum Beispiel wurde das Album „Flygod“ des amerikanischen Rappers Westside Gunn von 2017 kürzlich auf Discogs für rund 440 € verkauft. Da die Stückzahlen bei solchen Kassetten-Releases viel kleiner sind, macht die Knappheit sie zu exklusiven, heiß begehrten Sammlerstücken.
„Einige Fans besitzen nicht mal ein Gerät, um ihre neuen Kassetten abzuspielen“, erklärt DJ Chong Wizard, Plattenlabel-Besitzer aus Vancouver. Er erzählt von einer ausverkauften Auflage von 100 Kassetten zum Projekt „Niko Bellic“ des kanadischen Kult-Rapproduzenten Nicholas Craven: „Sie wollen einfach ihre Lieblingskünstler unterstützen und ein Stück Geschichte besitzen. Es ist mehr als ein Produkt. Mit Kassetten verkauft man ein Stück Nostalgie.“
Diese Nostalgie hat auch den Gebrauchtmarkt befeuert. Vintage-Kassetten haben in den letzten Jahren merklich an Wert gewonnen. Dank der Begeisterung der Gen Z für die 90er-Ästhetik und physische Medien wird der Besitz von Kassetten nämlich plötzlich als authentischere Verbindung zur musikalischen Vergangenheit empfunden. Zu Spitzenzeiten wurden 83 Millionen Kassetten pro Jahr verkauft. Der Handel mit gebrauchten Kassetten und Rekordern ist also eine eigene große Marktnische.
Der Kauf dieser Kassetten bietet Gen Z und Millennials zudem eine Möglichkeit, sich aus der Streaming-Welt auszuklinken. Viele von ihnen haben ein Faible für Musikformate mit einem gewissen DIY-Ansatz. Sie möchten sich in die analoge Ära vor Spotify und Apple Music zurückversetzen, als man manchmal minutenlang mit dem Finger auf der Vor- oder Rückspultaste verharren musste, bis man das Band endlich genau an der richtigen Stelle hatte, um ein ganz bestimmtes Lied auf seinem Lieblingsalbum zu hören.
„Da heute alles auf Streamingplattformen und digitale Medien verbannt ist, weiß eine neue Generation von Musikfans vermehrt greifbarere Produkte zu schätzen, insbesondere analoge“, erklärt Devin Horwitz, Inhaber des Independent-Labels Nature Sounds. Er verkauft von der Kritik gefeierte Underground-Rap-Veröffentlichungen von Künstlern wie Mach-Hommy, Your Old Droog und Madlib als limitierte Vinyl- und Kassettenauflagen im Direktvertrieb. Horwitz sagt dazu: „Noch 2010 hatten Neuwagen Kassettendecks und viele Leute kaufen online gebrauchte Walkmans.“
„Die Hip-Hop-Kultur hatte schon immer ein Faible für Lo-Fi-Ästhetik und kein Format verkörpert das so sehr wie Kassetten. Viele junge Leute ‚erben‘ auch die alten Autos ihrer Eltern oder kaufen sich zuerst einen Gebrauchtwagen und stellen dann fest, dass die noch Kassettendecks haben.“
Okay, wir wissen jetzt, dass Kassetten wieder „cool“ sind, aber welche hörbaren Vorteile bieten sie denn überhaupt? Kassetten sind ja eher für einen verzerrten, verrauschten Klang bekannt. Außerdem leiern die Bänder mit der Zeit aus. Doch laut DJ Chong Wizard machen gerade diese Nachteile ihren Reiz aus.
Der unvollkommene Klang mit seinem besonderen Lo-Fi-Charme, argumentiert er, ergibt in unserer unvollkommenen Welt noch mehr Sinn. „Dieser Original-Kassettensound aus den 90ern ist genau das, was die Leute gerade wollen“, sagt er. „Es gibt digitale Filter und sogar Soundeffektpedale mit verschiedenen Kassettenklangeinstellungen, nur damit moderne Musikproduzenten den klassischen Sound nachahmen können. Viele Hörer:innen sind auch vom scharfen digitalen Klang beim Streaming gelangweilt. Sie wollen offenbar lieber einen weicheren, warmen, dumpferen Sound.“
Horwitz stimmt zu: „Die Hip-Hop-Kultur hatte schon immer ein Faible für Lo-Fi-Ästhetik und kein Format verkörpert das so sehr wie Kassetten. Viele junge Leute ‚erben‘ auch die alten Autos ihrer Eltern oder kaufen sich zuerst einen Gebrauchtwagen und stellen dann fest, dass die noch Kassettendecks haben. Im Auto ein Tape einzulegen und rumzufahren, ist schon besonders. Bei den ganzen Umgebungsgeräuschen fallen auch die Schwächen des Formats nicht so auf.“
Wie sieht es denn langfristig mit der Zukunft der Kassette aus? Sind die aktuell steigenden Absätze nur ein Strohfeuer? Das Format ist jedenfalls nicht frei von Kritik. So hat die ehemalige Kassettenlabel-Managerin Jen Long den gegenwärtigen Kassettenboom als reine Geldmacherei bezeichnet. In ihren Augen ist es „nur ein weiteres Format, das Künstler nutzen, um in die Charts zu kommen und den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen“.
Horwitz hingegen traut den Tapes zu, in der Gunst der Verbraucher:innen weiter zu steigen. Er sagt, dass sich die Veröffentlichungsstrategien zeitgenössischer Künstler:innen grundlegend verändert haben, da Musikfans nun neue Kassetten erwarten. „Ich glaube, solange Menschen Vintage-Kassetten sammeln“, so Horwitz, „werden sie auch Neuveröffentlichungen in ihre Sammlung aufnehmen wollen. In den Anfangszeiten des Rap konnten die meisten Leute neue Musik nur über Kassetten entdecken. Der Hype ist also auch eine Reminiszenz an diese ursprüngliche Kultur.“
DJ Chong Wizard ist sicher, dass es immer eine Sammlergemeinde für Kassetten geben wird, auch wenn das aktuelle Wachstum im Mainstream nicht anhält. „Sie sind Nischen-Sammlerstücke und ich denke, ihre Beliebtheit wird wie bei allem in Wellen kommen und gehen“, fügt er an. „Aber ich kenne einige Hardcore-Kassettenfans, die sie bis an ihr Lebensende sammeln werden. Die Nostalgiker werden Kassetten immer am Leben erhalten!“
Wenn du also das nächste Mal in einen Zug steigst und jemanden siehst, der eine Kassette in seinen Walkman einlegt, sei versichert: Du bist nicht versehentlich durch einen Zeittunnel ins Jahr 1992 gesprungen. Kassetten – die erstmals 1963 von der Elektronikmarke Philips kommerziell verkauft wurden – sind zurück und werden vorerst nicht wieder verschwinden.